Raus damit!

Brustimplantate der französischen Firma PIP stellen, wenn sie platzen, auslaufen oder das Silikon durch die Wand diffundiert, ein großes Gesundheitsrisiko dar.

Der Grund: Das Unternehmen hat minderwertiges Industriesilikon verwendet, um mehr Gewinn zu machen. Wie die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz am 17. Januar mitteilte, sollen allein in Hamburg fast 400 Frauen betroffen sein, die in den Praxiskliniken AlsterCity und Brahmsallee, dem Mammazentrum am Jerusalem-Krankenhaus und der Klinik Dr. Guth operiert wurden. Es geht um Brustimplantate von PIP bzw. baugleiche Implantate der Firma Rofil (M-Implants mit den Modellbezeichnungen IMGHC-TX, IMGHC-MX und IMGHC-LS).
Ihre Fragen – unsere Antworten
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät, die Brustimplantate der Firma PIP entfernen zu lassen. Was sollten Betroffene jetzt tun?

Wenn schon eine regierungsamtliche Stelle wie das BfArM dazu rät, die Implantate austauschen zu lassen, tut sie dies nicht ohne Grund. Wir raten daher jeder Frau, die ein Implantat hat, zu prüfen, ob es eines von PIP ist, und dann möglichst bald einen Austausch vornehmen zu lassen.
Wie lässt sich der Hersteller eines Implantats herausfinden?

Ein Blick in den Implantatpass, der nach einer Operation ausgehändigt worden sein sollte, liefert die gewünschte Information. Andernfalls nehmen Sie Kontakt zur Klinik auf, die die Operation durchgeführt hat, und fragen dort nach, welche Implantate eingesetzt wurden.
Kosmetische Operationen sind meist eine Privatleistung. Zahlen die Krankenkassen die Entfernung solcher Silikonkissen?

Bei Menschen, denen wegen einer Krebsoperation Brustimplantate eingesetzt wurden, ist das keine Frage. Ihnen werden der Austausch des alten und die Neuimplantierung eines ordentlichen Implantats bezahlt.
Handelte es sich um eine ästhetische Operation, die selbst bezahlt wurde, ist die Lage etwas anders. Die Krankenkassen müssen die Patienten an den Kosten beteiligen. Wir gehen davon aus, dass die Kassen die Explantation, also den Ausbau des fehlerhaften Implantats bezahlen, wenn es eine medizinische Notwendigkeit gibt, die von einem Arzt bescheinigt wird. Dies dürfte bei den Implantaten der Firma PIP kein Problem sein; das minderwertige Silikon der Kissen stellt ein großes Gesundheitsrisiko dar. Das Einsetzen eines neuen Implantats hingegen werden die Krankenkassen wohl nicht bezahlen.

Kann man die Kostenübernahme der Krankenkassen vorher absichern?

Betroffene sollten sich von ihrem Arzt bescheinigen lassen, dass es aus medizinischer Sicht notwendig ist, das Implantat herauszunehmen, um einer Beschädigung vorzubeugen. Mit dieser Bescheinigung können sich Frauen von ihrer Krankenkasse bestätigen lassen, dass sie die Kosten übernimmt.
Haben Betroffene Ansprüche an den Hersteller dieser Implantate? Ist ein Schadensersatz möglich?

Ansprüche können theoretisch direkt beim Hersteller geltend gemacht werden. Das Problem: Die Firma ist insolvent und hat ihren Hauptsitz in Frankreich. Da dürfte wenig zu holen sein.
Kann der Arzt, der das Implantat eingesetzt hat, in Haftung genommen werden?

Wohl nur, wenn der Arzt wusste, dass er etwas Fehlerhaftes oder Gefährliches implantiert hat. Selbst in diesem eher unwahrscheinlichen Fall wird es aber schwer sein, ihm dieses Wissen nachzuweisen.
Werden Medizinprodukte wie diese Implantate vorher genügend geprüft?

Eine Prüfung findet natürlich statt, doch es wird eben nicht jedes einzelne Implantat geprüft. Die Firma PIP war hier wahrscheinlich mit viel krimineller Energie unterwegs. Wir können uns vorstellen, dass zur Prüfung ein ordentliches Implantat vorgelegt wurde, und später dann Implantate mit Industriesilikon vom Band liefen. Da offenbar Kontrollen immer rechtzeitig vorher angemeldet werden, ist das ja auch gar nicht schwer.
Reaktion der Politik auf den Skandal

Die Hamburger Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks unterstützt Forderungen nach besserem Patientenschutz: „Der Skandal ist nicht nur die kriminelle Energie eines Herstellers, sondern auch die Tatsache, dass der Betrug relativ leicht gemacht wurde. Im Vordergrund müssen sichere Produkte und ein hoher Patientenschutz stehen, nicht europäische Standards auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner“. Sie spricht sich für ein zentrales nationales Register für implantierte Medizinprodukte aus, damit ein Überblick über schadhafte Produkte schneller möglich wird und Betroffene leichter zu erreichen sind. Auch eine bessere Nutzen-Risiko-Analyse von Implantaten sei nötig und wäre auf der Basis eines solchen Registers einfacher.
Was kann getan werden, um solche Skandale künftig zu vermeiden? Auch wir fordern:

bessere Prüfung bei der Zulassung von Medizinprodukten,
mehr Kontrollen der laufenden Produktion, vor allem unangemeldete Kontrollen,
Implantatregister, in denen alle in den Körper eingebauten Ersatzteile registriert werden, so dass sie jederzeit zurückzuverfolgen sind,
mehr Sorgfalt und Qualitätsbewusstsein bei den operierenden Ärzten und ihren Fachgesellschaften,
ein Verbot der Werbung für Schönheitsoperationen,
und schließlich die Hauptsache: Frauen (und Männer) sollten sich diesen Skandal zu Herzen nehmen (oder zur Brust nehmen) und Schönheitsoperationen vermeiden, denn sie bergen – wie jede Operation – eine Menge Risiken und sind medizinisch gesehen völlig unnötig!

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