Umfrage bei Unternehmen

Bei Anruf Mitschnitt

Wer heute mit Versandfirmen und Baumärkten, mit Banken und Versicherungen, mit Handy- und Stromanbietern telefoniert, der muss damit rechnen, dass das Gespräch mitgeschnitten und gespeichert wird. Jedes zweite Handels- und Dienstleistungsunternehmen drückt bei Telefonaten den Aufnahme-Knopf – bisweilen rechtswidrig. Kunden werden zudem oft nur unzureichend über den Umgang mit ihren Ton-Daten informiert. Das zeigt eine Umfrage der Verbraucherzentrale NRW bei 80 Unternehmen. Auskunftsbereit zeigten sich dabei vor allem Versicherungen, Banken sowie Stromversorger. Nicht offenbaren mochten sich dagegen viele angefragte Onlineshops und Telekommunikationsfirmen.

Erstaunlich: Mehr als die Hälfte der 42 antwortenden Unternehmen (22) gibt an, eingehende Anrufe aufzuzeichnen. „Zu Schulungszwecken“ ist dabei die beliebteste Begründung; von jeder dritten Firma (15) wird sie angeführt. „Stichprobenartig“ zeichnet etwa die 1&1 Internet AG auf. „Jeder zehnte Anrufer“ ist die Quote bei Kabel Deutschland, „je Mitarbeiter maximal 10 Anrufe im Monat“ lautet wiederum die Vorgabe der Targo-Bank. Einige Firmen, in der Regel Banken, begründen ihr Interesse am Kundenwort unter dem Stichwort „Beweissicherung“. Bei Wertpapiergeschäften per Telefon ist die in der Tat gesetzlich vorgeschrieben. Und auch für Kontoinhaber ist es sinnig, einen Nachweis zu haben , dass beim mündlichen Auftrag der richtige Betrag abgebucht wurde. Aber auch Beschwerden und allgemeine „Gespräche“ landen durchaus als Datei auf der PC-Festplatte.

Speicherung verbotener Aufnahmen
Eine besonders große Festplatte mit Kundenstimmen muss die ING-DiBa besitzen. Ob zum Beweis oder zur Schulung: rot leuchtet die Record-Taste bei „Telebanking“, „Brokerage“, „Treasury“ und „Immobilienfonanzierung“ sowie bei „Kundendialog“, „Direktvertrieb“ und „Beschwerdemanagement“. Dass die größte Direktbank so eifrig die Mikrofone aktiviert, dürfte vielen Kunden entgehen. An der Service-Strippe jedenfalls erfahren sie nichts. Ebenso wie die Sparkasse KölnBonn, die Comdirect- und Deutsche Bank beruft sich die ING-DiBa allein auf den Konto- oder Depoteröffnungsantrag samt Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB). Dort hätten Kunden der Mitschnitt-Absicht per Unterschrift zugestimmt.

Eindeutig rechtswidrig bei der ING-Diba ist jedoch ein laut Pressestelle so genannter „kleiner Fleck“. Denn auch Interessenten, die keinen Vertrag mit der Direktbank abgeschlossen haben, wurden und werden immer wieder heimlich telefonisch mitgeschnitten – und angeblich „unauffindbar abgespeichert“. Das geschieht etwa unter der Kontaktnummer zu „Banking und Kontoführung: 069-342224“. Rund 3 Jahre, so die Pressestelle, werden die verbotenen Aufnahmen gespeichert.

Transparenter agieren dagegen die 18 anderen Unternehmen in der Umfrage. Ob Ikea, Tchibo oder QVC: Alle geben an, vor dem Gespräch per Ansage über den Mitschnitt zu informieren.

„Problematischer Bereich“
Wichtig zu wissen: Wer Worte dokumentiert, betritt einen „problematischen Bereich“, sagt Bettina Gayk, Pressesprecherin beim Datenbeauftragten von NRW. Denn der Bundesgerichtshof hält das Aufzeichnen von Telefonaten nur für zulässig, wenn eine gesetzliche Grundlage vorliege oder die Gesprächsteilnehmer zuvor ausdrücklich zugestimmt hätten. Läuft dennoch ein Recorder mit, kann das mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren geahndet werden. Zudem taugt die unrechtmäßig erlangte Aufnahme nicht zum Beweis von Absprachen. Fragwürdig sei es, wenn Anrufer lediglich am Ende des Gesprächs die Möglichkeit erhalten, der Aufnahme zu widersprechen. Schließlich ist dann schon aufgezeichnet worden.

Erfreulich: In der Umfrage der Verbraucherzentrale beteuern alle Teilnehmer, dass ein Widerspruch sowohl zu Beginn als auch noch nach Ende des Mitschnitts gewährleistet sei. Allein die Stadtwerke Düsseldorf möchten sich von einmal gestatteten Aufnahmen nicht mehr trennen.

Speicherung der Gespräche unterschiedlich lang
Nicht nachvollziehbar ist, wie unterschiedlich lange die Firmen die Sprachdateien speichern. So werden Telefonate zu Schulungszwecken mal „bereits nach wenigen Minuten“ (QVC) gelöscht oder aber stolze drei Jahre (E wie Einfach) aufbewahrt. Gespeichert wird eine Woche (Stadtwerke Düsseldorf), dann 90 Tage (1&1 Internet) oder auch vier Monate (Tchibo). Bei der „Beweissicherung“ von Transaktionen (Telebanking, Wertpapierhandel) gilt bei Geldinstituten als Speicher-Regel: 10 Jahre. Die Frankfurter Sparkasse wiederum archiviert „Kundengespräche“ sechs Monate.

Nicht immer passt das zu den Vorgaben von Bettina Gayk. Die NRW-Datenschützerin sieht je nach Zweck unterschiedliche Speicherzeiten. Für Schulungszwecke beispielsweise gelte in der Regel: „Nicht länger als drei Monate.“ Doch darüber erfährt die Kundschaft nur Spärliches. Denn lediglich drei Firmen (123-Energie, Signal-Iduna-Versicherung, Stadtwerke Düsseldorf) geben laut Verbraucherzentralen-Umfrage an der Strippe überhaupt preis, wie lange sie die Daten behalten wollen.

Quelle

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