Vattenfall bei Bundeskartellamt angezeigt

Bei Strom und Gas können Verbraucher den Anbieter wechseln.

Bei der Fernwärme dagegen hat man es mit einem Monopolisten zu tun. Wir meinen: Warum soll nicht auch bei der Fernwärme möglich sein, was bei Strom und Gas schon selbstverständlich ist: Trennung von Netz und Versorgung, Wettbewerb zwischen mehreren Versorgern? Das wäre gut für den Klimaschutz, da dann auch dezentrale Einspeisung aus Blockheizkraftwerken möglich wäre. Und es wäre gut für die Verbraucher, da der Wettbewerb die Fernwärmepreise dämpfen würde, die heute zu unverhältnismäßigen Gewinnen in der Fernwärmesparte führen. Dass es anders als in Deutschland geht, zeigen Dänemark und Polen. Bei uns ist Monopolist fast immer das örtliche Stadtwerk. Nur in Hamburg und Berlin ist es ein internationaler Konzern: Vattenfall. Und der verstößt auch noch gegen Wettbewerbsregeln. Wir haben das Bundeskartellamt eingeschaltet.
Die Anzeige beim Bundeskartellamt

Die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. hat am 9. November 2011 die Vattenfall Europe Wärme AG wegen Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht im Bereich der Fernwärme beim Bundeskartellamt angezeigt. In dem Schreiben wird das Kartellamt aufgefordert, das Verhalten des Unternehmens zu untersuchen, dieses zur Abstellung des wettbewerbswidrigen Verhaltens zu verpflichten und die zu Unrecht aufgrund der Wettbewerbsverletzung erzielten Gewinne abzuschöpfen. Für den Fall der Aufnahme eines Verfahrens beantragte Verbraucherzentrale Hamburg ihre Beiladung.
Anlass und Hintergrund

Seit zwei Jahren untersucht das Bundeskartellamt den Bereich der Fernwärmeversorgung im Rahmen einer Sektorenuntersuchung. Nach wie vor ist die Fernwärmeversorgung von Monopolen der Netzbetreiber geprägt. In fast allen Städten gibt es Möglichkeiten der demokratischen Kontrolle der Wärmenetzbetreiber, weil sich diese mehrheitlich im Eigentum der Kommunen befinden. Über die Aufsichtsgremien haben die Kommunen daher in der Regel die Möglichkeit, auf den Netzbetreiber im Interesse der versorgten Bürgerinnen und Bürger einzuwirken. Eine Ausnahme hiervor bilden die beiden größten deutschen Fernwärmegebiete in Berlin und Hamburg, die von Vattenfall als Rechtsnachfolger der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) bzw. der BEWAG betrieben werden. Weder besteht eine Einflussmöglichkeit der Städte auf die Preisgestaltung noch existiert eine Zuständigkeit einer Regulierungsbehörde.

Dieser Mangel an öffentlicher Kontrolle hat dazu geführt, dass Vattenfall seine marktbeherrschende Stellung zu Lasten seiner Kunden sowie zu Lasten potenzieller weiterer Marktteilnehmer in wettbewerbswidriger Weise grob missbraucht. Dies betrifft zum einen unangemessen hohe Preise für Endkunden der Fernwärme, zum anderen eine Behinderung des Wettbewerbs bei der Auswahl von Wärmelieferanten durch den Netzbetreiber Vattenfall.
Überhöhte und intransparente Preise – extreme Gewinne

Wir sehen ein wettbewerbswidriges Verhalten darin, dass Vattenfall durch Ausnutzung seiner Monopolstellung überhöhte – und noch dazu lange nicht transparente – Preise zulasten der Fernwärmekunden berechnet und dadurch extrem hohe Gewinnmargen erzielt, die in einem wettbewerblichen Umfeld undenkbar wären.

Die Bilanz des Unternehmens weist eine Gewinnausschüttung an die Anteilseigner in Höhe von 414 Millionen Euro (2009) und 194 Millionen Euro (2010) aus.

Die Fernwärmenetze in Hamburg und Berlin sind vor Jahrzehnten mit starker staatlicher Beteiligung errichtet worden und finanziell überwiegend längst abgeschrieben. Vattenfall profitiert hiervon enorm, reicht die Einsparungen der niedrigen Kapitalkosten jedoch nicht an seine Kunden weiter, sondern erhöht seine Gewinne auf ein unverhältnismäßiges Maß, das bei Wettbewerbsbedingungen nicht zu erzielen wäre.

Wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung feststellt, besteht für Fernwärme-Bestandskunden kein Wettbewerb, weil ein Wechsel von der Fernwärme in ein anderes Wärmesystem (Erdgas oder Öl) für den Kunden aufgrund der hohen Investitionskosten unwirtschaftlich wäre. Nach ihrer Systementscheidung für die Fernwärme sind die Kunden dem Wärmelieferanten ausgeliefert. Mit der AVBFernwärmeVO besteht lediglich eine Kontrollvorschrift für Preiserhöhungen, die jedoch keinen Schutz davor bietet, dass vom Netzbetreiber aufgrund niedrigerer Kosten unverhältnismäßige Monopolgewinne erwirtschaftet werden können. Allein die Kartellbehörden sind in der Lage, gegen den Missbrauch der Wärmenetzmonopole vorzugehen.

Ein Preisvergleich mit anderen Fernwärme-Unternehmen zeigt, dass Vattenfall weder zu den billigsten noch zu den teuersten Anbietern gehört. Doch anders als Netzbetreiber in zahlreichen anderen Städten verfügt Vattenfall über weitgehend abgeschriebene Sachgüter und hatte in den letzten Jahren nur geringen Investitionsaufwand. Zudem zahlte das Unternehmen – anders als Wettbewerber in vielen anderen Städten – in Hamburg keine Konzessionsabgaben für die Wegenutzung.

Es kommt hinzu, dass Vattenfall die Preise für Fernwärmekunden lange verschwiegen hatte. Erst nachdem die Verbraucherzentrale Hamburg den Versorger am 3. Juni 2011 abgemahnt hatte, verpflichtete sich das Unternehmen zur Preisangabe.
Verschleiern der Gewinne

Um das Ausmaß der Monopolgewinne zu verschleiern und der Stadt Hamburg vertraglich zugesicherte Konzessionsabgaben vorzuenthalten, hatte Vattenfall gegenüber der Stadt Hamburg stets vorgetragen, damit nur Verluste zu erwirtschaften. In dem Konzessionsvertrag der Stadt Hamburg und der HEW als Rechtvorgängerin von Vattenfall hatte Hamburg, um den Ausbau der Fernwärme zu fördern, darin auf Konzessionsabgaben für die Nutzung der öffentlichen Straßen und Wege durch die Leitungswege verzichtet, bis und solange die HEW mit der Fernwärme keine Gewinne erwirtschaftet. Damit sollte ein Investitionsanreiz für die HEW gesetzt werden und dennoch ein verträglicher Wärmepreis für die Kundinnen und Kunden der Fernwärme ermöglicht werden. Durch interne Verrechnungsmethoden im Vattenfall-Konzern wurden offenbar die Bilanzen der Fernwärmesparte Hamburgs zielgerichtet in den Verlust gerechnet. Der Stadt Hamburg entgingen dadurch Konzessionseinnahmen in Höhe von kumuliert 50 bis 70 Millionen Euro und Vattenfall hatte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Fernwärmebetreibern, die den Kommunen in ihren Versorgungsgebieten teils erhebliche Konzessionsabgaben entrichtet haben.
Wettbewerbswidrige Beschaffung

Die Geschäftspolitik des Netzbetreibers Vattenfall ist nach unserer Auffassung wettbewerbswidrig, weil die Beschaffung der Wärme nicht transparent und diskriminierungsfrei erfolgt, sondern Schwesterunternehmen innerhalb des Vattenfall-Konzerns bevorteilt. Zudem ist die Geschäftspolitik des Netzbetreibers offenbar darauf ausgerichtet, den Marktzugang von Wärmelieferanten, die nicht zum Vattenfall-Konzern gehören, durch unverhältnismäßig lange Lieferverträge mit Konzern-Schwesterunternehmen langfristig und auch für den Fall eines Wechsels des Netzbetreibers auszuschließen.

Als Monopolist der Netzinfrastruktur ist Vattenfall dazu verpflichtet, zumindest seine Wärmebeschaffung fair und diskriminierungsfrei zu gestalten. Nur eine transparente und faire Beschaffung kann zu einem Wettbewerb von Wärmeanbietern führen, die zu möglichst günstigen Kosten in das Vattenfall-Wärmenetz einspeisen und damit die Kosten auf die Endkunden senken könnten.

Nach unserem Wissen beschafft Vattenfall seine Wärme jedoch weit überwiegend von Unternehmen aus dem eigenen Konzern und ohne ein transparentes Verfahren. Damit kann kein Wettbewerb für Wärmelieferungen entstehen. Neben den geschilderten hohen Gewinnen von Vattenfall als Netzbetreiber entstehen somit weitere Profite bei Konzernschwestern, die Wärme aus Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen an den Wärmenetzbetreiber verkaufen. Es ist davon auszugehen, dass diese Gewinne nicht entstehen würden, wenn Vattenfall seine Wärmebedarfe in transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren ausschreiben würde. Insbesondere könnten dann gegebenenfalls sogar Überschuss-Wärmelasten aus der Hamburger bzw. Berliner Industrie bzw. aus den benachbarten Bundesländern in die Wärmenetze eingespeist werden. Hiermit wäre neben dem Preis senkenden Effekt auch eine Verbesserung der CO2-Bilanz der Fernwärme verbunden.

Dieses wettbewerbswidrige Verhalten des Wärmenetzbetreibers führt mittelbar auch zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem bundesdeutschen Strommarkt, da die Vattenfall-Stromerzeugung gegenüber der Konkurrenz auf dem Strommarkt gestärkt wird. Weil die Strom erzeugenden Vattenfall-Heizkraftwerke ihre Wärme ohne Wettbewerb zu hohen Preisen an die Konzernschwester Vattenfall Europe Wärme AG absetzen können, entsteht ihnen ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil, der letztlich ebenfalls von den Fernwärmekunden bezahlt wird.

Dabei stehen einer wettbewerblichen und transparenten Ausschreibung von Wärmelieferungen keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegen. Praxisberichte aus Dänemark (Kopenhagen) und Polen zeigen, dass der Betrieb eines Wärmenetzes, in das eine Vielzahl verschiedener Wärmeproduzenten einspeist, technisch ohne weiteres möglich ist.
Ausschluss Dritter durch unverhältnismäßig lange Lieferverträge

Eine besonders gravierende Verletzung von Wettbewerbsregeln besteht aus unserer Sicht darin, dass der Netzbetreiber Vattenfall durch unverhältnismäßig lange Lieferverträge mit Konzern-Schwesterunternehmen systematisch und dauerhaft einen Wettbewerb im Hamburger Wärmenetz ausschließen will.

Nach uns zugetragenen Informationen hat die Vattenfall Europe Wärme AG bereits vor einiger Zeit einen Vertrag mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren über die Abnahme der Fernwärme aus dem noch zu errichtenden Kraftwerk Moorburg mit der Konzernschwester Vattenfall Europe Generation AG geschlossen. Damit soll offensichtlich die Abnahme von Wärme aus dem Kraftwerk Moorburg dauerhaft festgeschrieben werden und ein Wettbewerb um die Wärmelieferung dauerhaft ausgeschlossen werden. Da die Konzessionsverträge mit der Stadt Hamburg im Jahr 2014 auslaufen und das Fernwärmenetz dann an einen Wettbewerber übertragen werden kann, ist ab 2014 ein echter Wettbewerb auf dem Fernwärmemarkt und eine Verbesserung der ökologischen Qualität der Fernwärme in Hamburg grundsätzlich möglich. Dies entspricht den im Arbeitsprogramm des Hamburger Senats vom 10. Mai 2011 festgelegten Zielen. Darin heißt es: „Zur Erreichung der Klimaschutzziele sollen mehr und mehr emissionsarme Brennstoffe und erneuerbare Energieträger die Fernwärmeerzeugung bestimmen. Dabei werden wir sicherstellen, dass mit erneuerbaren Energien erzeugte Wärme möglichst dezentral in die Fernwärmenetze eingespeist werden kann“. Hierfür setzt sich aktuell auch das erfolgreich abgeschlossene „Unser Hamburg – Unser Netz“ ein. Ein neuer Netzbetreiber müsste jedoch in die von Vattenfall abgeschlossenen Wärmelieferverträge eintreten. Er hätte bei sehr langfristigen Lieferverträgen nur eingeschränkte Möglichkeiten, unternehmerisch tätig zu werden und günstigere oder ökologisch vorteilhaftere Bezugsquellen für seine Wärmelieferung zu akquirieren. Durch den Abschluss unverhältnismäßig langfristiger Lieferverträge wird das Ziel des erfolgreichen Volksbegehrens dauerhaft erschwert. Zudem wird für den Fall eines Verlustes der Fernwärme-Konzession der Gewinn des Kraftwerksbetreibers Vattenfall zu Lasten der Fernwärme-Kunden gefördert.

Quelle

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