Anlegerschutzgesetz: die wichtigsten Neuerungen im Überblick

Wichtige Neuerung im Juli: Teile des überwiegend bereits seit April 2011 gültigen Anlegerschutgesetz treten erst zum Juli 2011 in Kraft.

Ab dann müssen die Kreditinstitute ihre Anlageprodukte mit einem Produktinformationsblatt versehen.
Das Anlegerschutzgesetz soll Privatanleger in verschiedenen Bereichen besser vor Nachteilen durch Falschberatung und mit Konstruktionsfehlern behafteten Offenen Immobilienfonds schützen. Aber was genau ändert sich durch das Gesetz? Wir erklären die wichtigsten verbraucherrechtlichen Neuerungen und informieren über

Anlageberatung: der gesetzlich vorgeschriebene Beipackzettel

Freiwillig hatten einige Kreditinstitute schon im Vorjahr das Produktinformationsblatt, auch Beipackzettel für Anlageprodukte genannt, eingeführt. Die Idee stammte ursprünglich von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner und sollte der Verbesserung der Anlageberatung dienen: Zu jedem Anlageprodukt, das eine Bank verkauft, sollte es ein kompaktes, leicht verständliches Informationsblatt geben, das die wichtigsten Angaben zu Funktionsweise, Chancen, Risiken und Kosten zusammenfasst.
Die Realität sah allerdings so aus, dass die Kreditinstitute sich nicht auf einen einheitlichen Beipackzettel einigen konnten und bald ein unübersichtliches Durcheinander von Produktinformationsblättern existierte. Der Vergleich von Produkten verschiedener Banken anhand des Beipackzettels war daher kaum möglich.

Nun soll das Anlegerschutzgesetz Abhilfe schaffen. § 31 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sieht nun vor, dass die Banken Verbrauchern ab dem 1. Juli 2011 bei Anlageberatungen verpflichtend ein Produktinformationsblatt zur Verfügung stellen müssen. Allerdings existieren auch Ausnahmen. Zum einen gilt die Verpflichtung nicht bei einer bloßen Anlagevermittlung. Ein Anlagevermittler übernimmt im Interesse eines Kapitalsuchenden (Fonds etc.) den Vertrieb eines Anlageprodukts, während der Anlageberater „neutraler“ berät. Eine klare Abgrenzung ist allerdings nicht immer möglich. Zum anderen sind die Berater nur bei den Produkten zur Übergabe eines Produktinformationsblattes verpflichtet, hinsichtlich derer sie tatsächlich eine Kaufempfehlung aussprechen.

Der Kunde muss den Beipackzettel rechtzeitig vor Vertragsschluss erhalten. Das Produktinformationsblatt darf höchstens zwei, bei komplexen Finanzprodukten auch drei Seiten lang sein. Auf diesen Seiten müssen in leicht verständlicher Form insbesondere Angaben zu folgenden Punkten zu finden sein:

die Art des Finanzinstruments,
seine Funktionsweise,
die damit verbundenen Risiken,
die Aussichten für die Kapitalrückzahlung und Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen und
die mit der Anlage verbundenen Kosten.

Die Bundesregierung hat angekündigt, die Vorgaben an Form und Inhalt der Informationsblätter weiter zu konkretisieren, falls sich die hinreichende Vergleichbarkeit der Produkte mit den neuen gesetzlichen Vorgaben noch immer nicht erreichen lässt.
Ausdrücklich verboten ist Werbung auf dem Produktinformationsblatt.
Die Banken dürfen das Produktinformationsblatt in gedruckter oder in elektronischer Form zur Verfügung stellen. Insofern genügt also das Übersenden per E-Mail oder auch die Angabe der exakten Fundstelle im Internet.

Flankiert wird die Pflicht zur Beifügung des Produktinformationsblattes durch Bußgeldvorschriften. Sind die Informationsblätter nicht richtig, nicht vollständig oder werden sie zu spät oder gar nicht zur Verfügung gestellt, so kann die BaFin ein Bußgeld verhängen. Aus denselben Gründen können auch Schadensersatzansprüche des Verbrauchers entstehen.

Die Pflichten zur Erstellung und Übergabe eines Beratungsprotokolls bleiben von den beschriebenen Neuregelungen unberührt. Hier hat sich die Rechtslage durch das Anlegerschutzgesetz nicht geändert.
Anlageberatung: Änderung bei Offenen Investmentfonds

Für Offene Investmentfonds sieht das Gesetz aber eine andere Lösung vor. Hier treten an die Stelle des Produktinformationsblattes die sog. wesentlichen Anlegerinformationen (KID oder KIID – Key Investor Information Document) nach dem Investmentgesetz (InvG). Diese wiederum ersetzen bei den inländischen Investmentfonds das bisher vorgesehene vereinfachte Verkaufsprospekt. Die wesentlichen Anlegerinformationen müssen ähnliche Angaben wie das bereits beschriebene Produktinformationsblatt enthalten:

die Identität des Sondervermögens,
eine kurze Beschreibung der Anlageziele und Anlagepolitik,
das Risiko- und Ertragsprofil der Anlage,
die bisherige Wertentwicklung oder ggf. Performance-Szenarien und
praktische Informationen und Querverweise.

Diese Angaben muss der Anleger verstehen können, ohne hierfür zusätzliche Dokumente heranzuziehen. Dabei bestehen genaue gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der näheren Inhalte, der Form, Struktur und Gestaltung der wesentlichen Anlegerinformationen, um eine größtmögliche Vergleichbarkeit und Transparenz sicherzustellen.

Hervorzuheben ist, dass die wesentlichen Anlegerinformationen eine Risikoklassifizierung des Fonds enthalten müssen. Das Risiko eines Fonds wird dabei in sieben Stufen eingeteilt. Die Einstufung beurteilt sich an den Kursschwankungen in der Vergangenheit (Volatilität).
Die obigen Ausführungen zu möglichen Bußgeldern bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben und der weiterbestehenden Pflicht zur Erstellung und Übergabe eines Beratungsprotokolls gelten bei den wesentlichen Anlegerinformationen entsprechend.
Weitere Konkretisierung der Beratungspflichten

Bereits seit April 2011 verpflichtet das Anlegerschutzgesetz die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Kunden nur geeignete Finanzprodukte zu empfehlen. Damit wurden die bereits zuvor bestehenden Bankenpflichten ergänzt. Schon nach dieser ursprünglichen Rechtslage mussten die Institute die notwendigen Informationen über die finanzielle Situation des Kunden, seine Kenntnisse, Erfahrungen und Anlageziele einholen, um überhaupt eine für ihn geeignete Anlageempfehlung machen zu können.

Verstöße gegen die Pflicht, geeignete Finanzprodukte zu empfehlen, können seit der gesetzlichen Neuregelung mit einem Bußgeld belegt werden.

Auch besteht eine gesetzlich vorgeschriebene Aufklärungspflicht, wenn bei der Beratung die Auswahl der Finanzprodukte eingeschränkt oder bestimmte, insbesondere hauseigene, Produkte bevorzugt werden.
Zusätzliche Möglichkeiten für die Finanzaufsicht

Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind ab dem 01. November 2012 per Gesetz ausdrücklich verpflichtet, nur sachkundige und zuverlässige Mitarbeiter einzusetzen. Dabei sollte es sich eigentlich um eine Selbstverständlichkeit handeln.

Um dies kontrollieren zu können und so die Qualität der Anlageberatung zu verbessern, werden die Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erweitert. Alle Anlageberater, Compliance-Beauftragten und Vertriebsverantwortlichen werden nun in einer Datenbank bei der BaFin registriert. Die Institute müssen der BaFin melden, wenn Kundenbeschwerden gegen einen Berater oder Vertriebsverantwortlichen vorliegen. Die Beschwerden werden in der Datenbank gespeichert. So sollen Missstände leichter aufzeigbar und der Einfluss von Vertriebsvorgaben transparenter werden.

Auch stehen der BaFin neue Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Ist der Mitarbeiter nicht ausreichend qualifiziert oder unzuverlässig kann dem Unternehmen die Beschäftigung des Mitarbeiters in der Anlageberatung untersagt werden. Verstößt der Mitarbeiter gegen die gesetzlichen Vorschriften, so kann die BaFin Unternehmen und Beschäftigten verwarnen, den Instituten aber auch verbieten, den Berater weiter in der Anlageberatung einzusetzen. Dieses „Berufsverbot“ kann auf bis zu zwei Jahre ausgedehnt werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kommt ein solches Vorgehen aber nur bei schwerwiegenden Verstößen in Betracht.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass die BaFin von ihr verhängte Sanktionen auf ihrer Internetseite veröffentlicht. „Es sei denn“, so steht es im WpHG, „diese Veröffentlichung wäre geeignet, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden.“ Die Veröffentlichung erfolgt aber ohne Nennung des Namens des sanktionierten Mitarbeiters.

Um eine entsprechende Vorbereitung der Beteiligten zu gewährleisten, treten die Regelungen erst ab dem 01.11.2012 in Kraft. Für zu diesem Zeitpunkt schon Beschäftigte gilt eine Übergangsregelung bis Mai 2013.
Offene Immobilienfonds: Mindesthaltefristen und weniger Rücknahmetermine

Mit den Offenen Immobilienfonds ist in den vergangenen Jahren eine komplette Produktklasse ins Wanken geraten: Viele Fonds mussten zeitweise die Rücknahme von Anteilen aussetzen, so dass Anleger die Anteile nur noch mit hohen Abschlägen zum ausgewiesenen Wert über die Börse verkaufen konnten. Auch derzeit noch ist die Anteilsrücknahme bei einer Reihe großer und kleinerer Offener Immobilienfonds ausgesetzt. Einige Fondsgesellschaften haben inzwischen sogar die Abwicklung von ihnen verwalteter Immobilienfonds angekündigt.

Als einer der Hauptgründe für die Dauerkrise wurden von Fondsgesellschaften und Politik die Tatsache genannt, dass viele – vor allem professionelle – Anleger während der Finanzkrise in kurzer Zeit große Summen aus den Offenen Immobilienfonds abzogen. Diese standen nun vor einem Problem: Um alle Rückgabewünsche bedienen zu können, hätten Immobilien aus dem Fondsvermögen verkauft werden müssen. Immobilien lassen sich aber nicht innerhalb kurzer Zeit zu guten Preisen verkaufen – schon gar nicht dann, wenn potenzielle Käufer wissen, dass der verkaufende Immobilienfonds in der Krise steckt.

Um diese Situation zu vermeiden, setzten die Fonds reihenweise die Anteilsrücknahmen aus. Einige von ihnen sind seit mehreren Jahren geschlossen. Dass durch die Dauerkrise verloren gegangene Vertrauen der Anleger soll nun mit strengeren Regeln wieder hergestellt werden. Das Investmentgesetz sieht künftig Mindesthaltefristen für Anleger vor, um kurzfristige Verkaufswellen einzudämmen. Aus demselben Grund wird die Möglichkeit, Fondsanteile jederzeit zurückgeben zu können, eingeschränkt. Kleinanleger sind von den strengeren Regeln aber kaum beeinträchtigt.

Die Mindesthaltefrist beträgt 24 Monate. Das heißt so lange muss der Anleger die gekauften Anteile mindestens halten, bevor er sie zurückgeben darf. Allerdings gilt dies nur für Anteilsrückgaben von über 30.000 Euro pro Kalenderhalbjahr, sodass Kleinanleger kaum betroffen sind. Bei der Rückgabe solch großer Anteilspakete ist nach dem Gesetz zudem eine Rückgabefrist von zwölf Monaten zu beachten. Das heißt, bereits zwölf Monate vor der beabsichtigten Rückgabe muss der Anleger unwiderruflich erklären, dass er seine Anteile zurückgeben will.

Investmentanteile können grundsätzlich jederzeit zurückgegeben werden. Davon können Offene Immobilienfonds allerdings in ihren Verträgen abweichen. Das Anlegerschutzgesetz gibt den Fondsgesellschaften die Möglichkeit, Fondsanteile nicht mehr börsentäglich zurückzunehmen, sondern fixe Rücknahmetermine festzusetzen. Im Extremfall kann die Anteilsrücknahme nur noch einmal jährlich möglich sein. Dies bedeutet, dass Anleger eventuell ihre Anteile nicht kurzfristig zurückgeben können oder – womöglich mit Verlust – an der Börse verkaufen müssen.

Doch auch die Anforderungen an die Fondsgesellschaften werden strenger. So sollen die Immobilien im Fondsvermögen künftig häufiger durch einen Sachverständigenausschuss bewertet werden. Wie häufig, hängt von der Anzahl der jährlichen Ausgabe- und Rücknahmetermine für Anteilsscheine ab.

Strengere Regelungen gelten auch bei vorübergehenden Fondsschließungen aufgrund mangelnder Liquidität (Aussetzung der Rücknahme): Das Gesetz sieht nun ausdrücklich vor, dass Fonds ihre Immobilien nach einer längeren Periode der Schließung auch zu Preisen verkaufen müssen, die bis zu 20 Prozent unter dem von einem Sachverständigenausschuss festgestellten Wert liegen. Verfügt der Fonds auch 30 Monate nach Aussetzung der Rücknahme nicht über eine hinreichende Liquidität, so kommt es zur Abwicklung des Fonds. Ebenfalls ist dies der Fall, wenn die Kapitalanlagegesellschaft zum dritten Mal innerhalb von 5 Jahren die Rücknahmewünsche der Anleger nicht bedient.

Diese hier beschriebenen strikten Vorlagen treten allerdings erst nach einer Übergangsfrist in Kraft: Offene Immobilienfonds, die am 8. April 2011 bereits bestanden, müssen sie vollumfänglich erst 2013 erfüllen. Und vor der Gesetzesänderung gekaufte Anteile sind von den Regeln ohnehin ausgenommen.

(Quelle: http://www.vz-nrw.de/UNIQ131722236623762/link903721A.html)

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