Das „Honig-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs– Hintergründe und Konsequenzen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag, 6. September 2011, sein Urteil zu gentechnisch veränderten Pollen im Honig verkündet.

Danach darf Honig, auch wenn er nur geringfügige Spuren von gentechnisch veränderten Pollen enthält, nur mit einer Zulassung in den Verkehr gebracht werden.

Vorausgegangen war dem Urteil des EuGH ein jahrelanger Rechtsstreit, ob Honig wegen geringer Spuren von Pollen unter die Vorschriften des Gentechnikrechts fällt und deshalb einer Zulassung bedarf oder nicht. In dem Verfahren am EuGH ging es um die bisherige Zulassungspraxis und ausdrücklich nicht um eine Bewertung biologischer oder gesundheitlicher Aspekte. Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen sind bisher nur in minimalen Spuren im Honig festgestellt worden. Es liegen keine Hinweise vor, dass solche Pollen negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnten.

Dass vor allem importierter Honig durchaus auch Spuren von gentechnisch veränderten Pollen enthalten kann, ist seit mehr als zehn Jahren bekannt und in der öffentlichen Diskussion. Bienen sammeln neben Nektar auch Pollen, der in geringen Mengen in den Honig gelangt. Wenn Bienen von gentechnisch veränderten Pflanzen Pollen sammeln, so finden sich auch im Honig in minimalen Spuren diese Pollen wieder. Bereits gegenwärtig werden in Honig, der in Deutschland vermarktet wird, Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen gefunden. Dies zeigen Untersuchungen der zuständigen Länderbehörden immer wieder. Diese Honig-Tranchen kommen ganz überwiegend aus dem Ausland, wo in größerem Umfang gentechnische Pflanzen angebaut werden, und sie wurden nach der bisher geltenden Rechtsauffassung von der Lebensmittelüberwachung der Länder nicht beanstandet. Dies entsprach der bisherigen Auffassung der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten und war seit Jahren etablierte Rechtspraxis in ganz Europa.

Nach der Auffassung des Generalanwaltes beim EuGH, der sich das Gericht in weiten Teilen angeschlossen hat, fällt dagegen Honig mit Polleneinträgen von gentechnisch veränderten Pflanzen unter das Gentechnikrecht. Dies stellt eine völlige Kehrtwende zu der bisher praktizierten Rechtsauffassung in der EU dar. Der EuGH hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass Honig mit Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen ein Lebensmittel im Sinne des EU-Gentechnikrechts darstellt und deshalb einer Zulassungspflicht unterliegt. Denn der Pollen ist aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt und als Zutat des Honigs anzusehen. Entscheidend ist dabei, dass der Pollen im Enderzeugnis bleibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Pollen absichtlich hinzugefügt oder zufällig eingetragen wurde, so das Gericht.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner begrüßte, dass mit dem Grundsatzurteil mehr Klarheit für Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen wurde: „Verbraucher wollen zurecht Klarheit und Transparenz bei den Produkten, die sie einkaufen. Die Bundesregierung setzt sich weiterhin mit Nachdruck in Brüssel für eine Prozesskennzeichnung von Lebensmitteln ein, das heißt: Alle Lebensmittel, die auf irgendeiner Stufe mit Gentechnik in Berührung gekommen sind, sollen gekennzeichnet werden.“

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird das Urteil des EuGH gründlich prüfen und mit den für die Lebensmittelkontrolle und Lebensmittelüberwachung zuständigen Bundesländern über die zu ziehenden Konsequenzen beraten, insbesondere über die Frage, wie die Vorgaben des Gerichts für den Handel mit Honig möglichst schnell umgesetzt werden können.

Mit Blick auf die weitreichenden Folgen des Urteils stellte die Ministerin fest:“ Wir werden auch die geltenden Koexistenzregeln auf den Prüfstand stellen müssen, also die Frage der Sicherheitsabstände zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und Pflanzen aus konventionellem oder ökologischen Anbau.“

Da es sich um Gemeinschaftsrecht handelt und die Auswirkungen europaweit sind, wird das BMELV parallel zu den Beratungen mit den Bundesländern die Europäische Kommission bitten, einen Vorschlag über ein einheitliches Vorgehen in den 27 EU-Mitgliedstaaten vorzulegen. Erst wenn die EU-Kommission über das weitere Vorgehen entschieden hat, wird sich zeigen, welche Auswirkungen die neue Rechtsprechung letztlich auf den nationalen und internationalen Honigmarkt haben kann.

Deutschland muss einen Großteil seines Honigs importieren – etwa 80 Prozent. Der überwiegende Teil des Importhonigs stammt aus außereuropäischen Ländern, in denen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen weit verbreitet ist (insbesondere Länder in Mittel- und Südamerika).

(Quelle: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Pflanze/GrueneGentechnik/EuGHGentechnikUrteilSeptember2011.html)

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