Hintergründe und politische Ziele

Eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung

Eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung hat für unser an eigenen Rohstoffvorkommen teilweise armes Land besondere Bedeutung. Die Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe ist begrenzt.

Trotz konjunkturell bedingt aktuell niedriger Preise lässt die zunehmende Knappheit fossiler Rohstoffe tendenziell einen Preisanstieg erwarten. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der in Deutschland genutzten Rohstoffe aus politisch instabilen Regionen stammt. Vor diesem Hintergrund kommt dem Dreieck aus Rohstoffeinsparung, Verbesserung der Rohstoffeffizienz und verstärkter Nutzung nachwachsender Rohstoffe besondere Bedeutung zu. Die chemische Industrie ist in vielen Bereichen auf kohlenstoffhaltige Rohstoffquellen angewiesen. Nachwachsende Rohstoffe bilden die einzige erneuerbare Kohlenstoffquelle. Die nachhaltig vorhandenen Potenziale nachwachsender Rohstoffe können besser ausgeschöpft werden.

Der Schutz des Klimas ist eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Europäische Union und Deutschland haben sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt. Die Europäische Union will ihren Ausstoß an Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2020 um 20 oder 30 Prozent reduzieren. Nachwachsende Rohstoffe können durch Substitution fossiler Rohstoffe zur Minderung von Kohlendioxid-Emissionen beitragen, denn mit dem Anbau von Biomasse wird der Atmosphäre durch Pflanzen Kohlendioxid (CO2) entzogen. Daneben hat ein verändertes Verbraucherverhalten mit steigendem Gesundheits- und Umweltbewusstsein und dem Ruf nach nachhaltig erzeugten Produkten dazu geführt, dass nachwachsende Rohstoffe stärker in den Fokus der Verbraucher rücken.
Rohstoffe
In welchem Umfang nachwachsende Rohstoffe fossile Rohstoffe ersetzen können, hängt stark von ihrer Verfügbarkeit und konkurrierenden Nutzungen ab. Hauptrohstoffquelle für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist Anbaubiomasse auf landwirtschaftlichen Flächen und Holz aus unseren Wäldern. In Deutschland werden derzeit in der Landwirtschaft 2,1 Millionen Hektar für den Anbau nachwachsender Rohstoffe genutzt, davon rund 280.000 Hektar für die stoffliche Nutzung. Zahlreiche Studien zeigen, dass trotz der in den letzten Jahren rasch steigenden energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland Potenzial für eine weitere Ausweitung der Erzeugung nachwachsender Rohstoffe besteht. Letztlich werden die Landwirte mit ihren Anbauentscheidungen, die insbesondere von den Wettbewerbsverhältnissen der einzelnen Kulturarten bestimmt sind, über den tatsächlichen Anbauumfang entscheiden. Hauptrohstoffquelle für Holz sind in Deutschland die knapp 11 Millionen Hektar Wald. Nach den Ergebnissen der letzten Bundeswaldinventur sind in Deutschland die Holzvorräte auf 3,4 Milliarden Kubikmeter angewachsen. Deutschland verfügt damit über die höchsten Waldholzvorräte in Europa. Im forstlichen Bereich könnte deshalb ohne Beeinträchtigung der Nachhaltigkeit deutlich mehr Holz eingeschlagen werden als bisher.

Global werden etwa acht Prozent der Anbauflächen für den Anbau von Pflanzen zur stofflichen Nutzung verwendet, insbesondere Faserpflanzen, Kautschuk und Ölpflanzen. Vorliegende Studien zeigen, dass trotz klimabedingten Ausfalls von Anbauflächen und trotz des notwendigen Schutzes ökologisch wertvoller Anbauflächen auch global Potenziale für eine verstärkte Nutzung nachwachsender Rohstoffe vorhanden sind. Die Potenziale liegen dabei primär in einer effizienteren Nutzung bestehender Flächen.

Die Nutzung pflanzlicher und tierischer Biomasse für industrielle Zwecke steht teilweise im Wettbewerb mit der Verwendung als Nahrungsmittel und zur Energieerzeugung. In vielen Fällen bestehen allerdings auch Synergien, wenn als Nebenprodukt Futtermittel anfallen (zum Beispiel bei pflanzlichen Ölen), die technische Nutzung sich auf ein Nebenprodukt der Nahrungs- und Futtermittelerzeugung bezieht (zum Beispiel Stroh) oder die stoffliche und energetische Nutzung in eine Nutzungskaskade integriert sind. Der Anbau von Industriepflanzen konkurriert darüber hinaus mit dem Umwelt- und Naturschutz sowie mit Siedlungs- und Verkehrszwecken um knappe Flächen.

Heimische Rohstoffe weisen gegenüber importierten Rohstoffen teilweise Kostennachteile auf. Im Zuge der fortschreitenden Liberalisierung der Agrarpolitik haben sich die Rohstoffpreise auf dem Binnenmarkt und auf dem Weltmarkt immer weiter angenähert, so vor allem bei Getreide, aber auch bei Zucker. Deshalb konnten die Regelungen, mit deren Hilfe Industriezucker und Industriestärke aus der EU für inländische Nachfrager zu Weltmarktpreisniveau zur Verfügung stand, in den letzten Jahren deutlich eingeschränkt werden. Im Industriezuckerbereich wurde die Produktionserstattung in 2006 in eine fakultative Regelung umgewandelt; die EU-Kommission entscheidet hier über die Gewährung. Die Produktionserstattung für Stärke aus Mais, Weizen und Kartoffeln wurde seit 2006 nicht mehr angewandt und im Rahmen des Health Checks mit Wirkung zum 1. Juli 2009 abgeschafft. Für Kartoffelstärke und Faserpflanzen (Hanf, Flachs) wird noch bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 2011/2012 eine Verarbeitungsprämie oder -beihilfe gewährt. Ob der Bedarf der Industrie an diesen Rohstoffen künftig vermehrt durch Importe gedeckt wird, ist von mehren Faktoren abhängig, zum Beispiel Produktionskosten, Transport-/ Frachtkosten, Wechselkursverhältnis und anderen.

Nachhaltigkeit und Umweltgesichtspunkte
Für die heimische Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen gelten die gleichen Regeln der guten fachlichen Praxis wie für den Anbau von Nahrungs- und Futterpflanzen. Bei Einhaltung dieser Regeln kann unabhängig von der Verwertung davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen des Umweltschutzes berücksichtigt werden. Für die Erzeugung von Rohstoffen in Drittländern ist dies teilweise nicht gesichert. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere beim Anbau von tropischen Pflanzen nachteilige Umweltwirkungen im Hinblick auf Kohlendioxid-Ausstoß, Biodiversität sowie Boden und Wasser eintreten.

Für nachwachsende Rohstoffe, die als flüssige Energieträger Verwendung finden, sind inzwischen auf europäischer Ebene Regelungen zu Nachhaltigkeitsstandards und einer Zertifizierung geschaffen worden, die derzeit in nationales Recht umgesetzt werden. Für die Erzeugung von Holz gibt es unabhängig vom Verwendungszweck internationale Nachhaltigkeitsstandards nach den Zertifizierungssystemen FSC und PEFC, die weltweit für rund 320 Millionen Hektar Wald (circa 13 Prozent der bewirtschafteten Waldfläche) zur Anwendung kommen.

Die spezifischen Treibhausgas-Einsparungen können bei einer stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe ähnlich hoch sein wie bei einer energetischen Nutzung.

Förderung
Forschung und Entwicklung kommt herausragende Bedeutung zu, um die technologischen Grundlagen für die Substitution fossiler Rohstoffe weiter zu verbessern. Für viele Einsatzbereiche gibt es heute bereits biobasierte Alternativen zu petrochemischen Produkten. Sie sind diesen anwendungstechnisch ebenbürtig, bei manchen Aspekten sogar überlegen. Sie haben ihre Leistungsfähigkeit im täglichen Einsatz längst bewiesen. Gleichwohl hat die Erdölchemie einen jahrzehntelangen Entwicklungsvorsprung. Die Technologie bei der Herstellung von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen ist vielfach weniger ausgereift und nicht immer werden die geforderten Produkt- und Anwendungseigenschaften erreicht. Das BMELV fördert Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich Nachwachsende Rohstoffe mit jährlich etwa 50 Millionen Euro. Im Zuge von Einsparmaßnahmen wurde auch die Forschung zum Bereich nachwachsende Rohstoffe an vielen Hochschulen zurückgeführt. Es mangelt insbesondere an jungen Wissenschaftlern, die einen Nukleus für den künftigen Ausbau dieser Themenbereiche in Forschung und Lehre darstellen. Die Bundesregierung fördert deshalb seit 2006 wissenschaftliche Nachwuchsgruppen.

Die Bundesregierung hat als Beratungsgremium in 2009 den Forschungs- und Technologierat Bioökonomie eingerichtet. Er soll wissenschaftlich fundierte Analysen zur nachhaltigen Nutzung von Biomasse entwickeln. Auch bei der Durchführung von Forschungsarbeiten gewinnt die transnationale Zusammenarbeit immer mehr an Bedeutung. Das BMELV hat daher seine Aktivitäten in diesem Bereich weiter verstärkt. Mit dem Ziel durch Kooperation und Koordination der nationalen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten die nationalen Forschungsmittel noch effektiver einsetzen zu können, beteiligt es sich zum Beispiel an den europäischen ERANETs Industrielle Biotechnologie (ERA-IB), Bioenergie (ERANET Bioenergy) und wood-wisdom-net.

Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen werden heute insbesondere dort eingesetzt, wo sie gegenüber konventionellen Produkten ein besseres Kosten-Leistungsverhältnis aufweisen oder wo sie sich durch bessere technische Gebrauchseigenschaften auszeichnen. Ersteres gilt zum Beispiel für den Einsatz von Naturfaserverbünden bei Automobilverkleidungen, letzteres zum Beispiel für bioabbaubare Mulchfolien in Landwirtschaft und Gartenbau.

Vielfach bedeutet der höhere Preis nachwachsender Rohstoffe jedoch ein erhebliches Markthindernis. Die höheren Preise haben ihre Ursache insbesondere

in höheren Rohstoffkosten,
weniger entwickelten Verfahren bei der Herstellung und
in geringeren Skaleneffekten bei den Produktionskosten.
Das BMELV hat deshalb die Markteinführung von biobasierten Produkten gefördert (Naturdämmstoffe von 2003 bis 2007, Biogene Schmierstoffe von 2001 bis 2008) und fördert über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe durch vielfältige Maßnahmen die Information von Verbrauchern und Wirtschaft über Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen.

(Quelle: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Bioenergie-NachwachsendeRohstoffe/NachwachsendeRohstoffe/HintergruendeZiele.html)

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