Untersuchung der Verbraucherzentralen

Unseriöses Inkasso ist eine bedrohliche Plage

99 Prozent der Beschwerden über unseriöse Inkassopraktiken sind berechtigt. Unseriöses Inkasso geht einher mit Kostenfallen im Internet und unlauterer Telefonwerbung. Willkür und Phantasiegebühren treiben Inkassoforderungen in schwindelerregende Höhen. Dies belegt eine Auswertung von rund 4.000 bei den Verbraucherzentralen eingegangenen Verbraucherbeschwerden.

Die nicht repräsentative Untersuchung zeigt: In 84 Prozent der Fälle war bereits die Hauptforderung unzulässig, bei weiteren 15 Prozent blieb trotz Nachfrage unklar, ob es sich um eine berechtigte Forderung handelte. Lediglich ein Prozent der erfassten Inkassoforderungen war zu Recht erhoben worden.
Unberechtigte Inkassoforderungen stehen meist im Zusammenhang mit untergeschobenen Verträgen, die durch Abofallen im Internet, unerlaubte Telefonwerbung oder Gewinnspielwerbung angebahnt wurden. Viele Verbraucher fühlten sich eingeschüchtert und zahlten aus Angst oder Unkenntnis selbst unberechtigte Forderungen.

Vielfach sorgen – auch bei berechtigen Forderungen – Phantasiegebühren für eine Kostenexplosion der Gesamtrechnung. So verlangten Inkassounternehmen in rund 50 Prozent der ausgewerteten Fälle nicht nachvollziehbare Gebühren, Auslagen oder Zinsen. Unterm Strich erhöhte sich dadurch die Summe der Hauptforderungen von rund 490.000 Euro auf Gesamtforderungen in Höhe von rund 750.000 Euro. Die mit weitem Abstand meisten Beschwerden bezogen sich auf die Deutsche Zentral Inkasso GmbH. Auf sie entfielen 40 Prozent der Verbraucherbeschwerden. 15 Prozent der Beschwerden betrafen nicht registrierte Inkassounternehmen. Insgesamt waren 116 Inkassounternehmen beteiligt.

Wenn aus der Mücke ein Elefant wird
Inkassounternehmen können ihre Gebühren nach Gutsherrenart nahezu willkürlich festlegen. Das Prinzip ist einfach: Eine auf den ersten Blick kleine Hauptforderung bläht sich durch Phantasiegebühren, Aufschläge und Zinsen zu einem „Vermögen“ auf. So wachsen Bagatellforderungen zu Beträgen von mehreren Hundert oder gar tausend Euro an. Ein krasser Fall aus der Schuldnerberatung: Die Hauptforderung belief sich auf 20,84 Euro, am Ende wurde die Zahlung von 1.200 Euro verlangt. „Angeschwollene Bagatellforderung“ nennen das die Fachleute.

Bedrohung und Einschüchterung
Rund drei Viertel der in der Untersuchung befragten Verbraucher fühlten sich von den Inkassoschreiben bedroht und eingeschüchtert. Gedroht wird mit Hausbesuchen, einem Eintrag bei der Schufa oder Lohn- und Kontopfändung. Ein Inkassounternehmen drohte mit der Beauftragung einer Detektei, die Vermögens- und Arbeitsverhältnisse des Schuldners auszuspionieren – wegen einer Hauptforderung von 15,87 Euro. Die Deutsche Zentral Inkasso GmbH fügte ihrer Zahlungsaufforderung in vielen Fällen einen auf den Verbraucher zugeschnittenen „Entwurf einer Klageschrift“ bei.

Aufsicht und Selbstregulierung versagen
Auch sonst können die Unternehmen weitgehend unkontrolliert agieren. Ein Mangel an effektiven Kontrollen und Sanktionen ist geradezu eine Einladung für Betrüger. Bundesweit sind rund 80 Aufsichtsbehörden für Inkassounternehmen zuständig. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein im Jahr 2010 ergab, dass bundesweit lediglich in zwei Fällen Inkassofirmen aufgrund von Verbraucherbeschwerden die Zulassung entzogen wurde. Auch die Selbstregulierung der Branche funktioniert nicht. So geben die „berufsrechtlichen Richtlinien“ des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) weder eine Gebührenordnung noch konkrete Informationspflichten vor.

Forderungen der Verbraucherzentralen
Inkasso braucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten, verlässliche Gebührenvorgaben und eine schlagkräftige Aufsicht, lautet das Fazit der Verbraucherzentralen. Auch der Bundesrat und die Verbraucherschutzministerkonferenz fordern konkrete Maßnahmen im Kampf gegen unseriöses Inkassogebaren. Gefordert ist jetzt das zuständige Bundesjustizministerium, unlautere Inkassopraktiken in die Schranken zu weisen. Konkret fordern der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentralen eine

gesetzliche Verankerung von Informationspflichten für Inkassodienstleister,
angemessene Deckelung der Gebührensätze für Inkassodienstleistungen in Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG),
rechtliche Festschreibung der Verhältnismäßigkeit zwischen Haupt- und Nebenforderung (analog zu Österreich),
Verhinderung von Phantasiegebühren und –zinsen durch klare Kostenvorgaben,
schlagkräftige Aufsicht mit lediglich einer zuständigen Aufsichtsbehörde pro Bundesland sowie ein
effektives Sanktionsregime, das von gestaffelten Geldbußen bis hin zum Entzug der Zulassung reicht.

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